Selmas schönster Geburtstag

Zelda ZiporaSelmas schönster Geburtstag

„Ich schenke dir ein wunderschönes Diamantcollier“ flüsterte sie Selma zu. „Du wirst sehen, es ist aus den kostbarsten Perlen des ganzen Orients gefertigt.“

Neugierig schaute Selma, Annas Lieblingspuppe, herüber. Womit hatte sie das verdient? War heute etwa ihr Geburtstag? „Heute ist dein Geburtstag! Du wirst fünf! Hast du das etwa vergessen?“ fragte Anna.

Erschrocken riss Selma die Augen auf –tatsächlich hatte sie nicht daran gedacht! „Dass Puppen aber auch immer so schusselig sein müssen.“ rügte Laxo, der graue Teddybär, kopfschüttelnd das Puppenmädchen. „Seinen eigenen Geburtstag zu vergessen –so etwas könnte uns Bären nie passieren!“

Anna, Selma und Laxo saßen im Schatten des ehemaligen Hühnerstalls und spielten Vater, Mutter, Kind. Laxo hasste dieses Spiel. Er fand es so langweilig, der immer beschäftigte, ständig bei der Arbeit abwesende Vater zu sein. Doch da dies Annas Lieblingsspiel war, tat er ihr den Gefallen und spielte mit.

Selma war das Kind und Anna die Mutter, die geschäftig zwischen den Töpfen herumlief. „Ach du meine Güte, habe ich heute wieder viel zu tun!“ Stieß Mutter-Anna in diesem Moment aus und rührte mit ihrem Stock in der Gras-Matsch-Suppe herum. „So ein Haushalt macht ja so viel Mühe!“

Schnell lief sie zum Hühnerstall, um ein paar Stein-Eier zu holen. Laxo versuchte einen Witz: „Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Mühe.“ Doch Mutter-Anna schüttelte darüber nur missbilligend den Kopf. „Dass man von dir kein Verständnis erwarten kann, war ja klar. Du bist ja schließlich auch den ganzen Tag außer Haus und bekommst ja gar nicht mit, wieviel Arbeit die Kinder, das große Haus, und solch ein großes Grundstück macht. Ich koche, ich putze, ich wasche, ich versorge den Garten –ach, manchmal weiß ich gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht vor lauter Arbeit.“ Klagte Mutter-Anna weiter, nachdem sie die Stein-Eier aufgeschlagen und mit Sand-Mehl und Wasser in einem Pfannkuchenteig aufrührte.
Vater Laxo wagte einen Widerspruch. „Du wolltest doch unbedingt so ein großes Haus, mit so einem großen Grundstück haben. Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir in die Stadt gezogen.“

Mutter-Anna warf vor Empörung darüber die Arme in die Luft. „Aber denk doch nur einmal an das Kind! Siehst du denn nicht, wie glücklich es hier auf dem Land ist? So schön frei könnte es in der Stadt niemals spielen!“

Beide blicken zu Puppe Selma in, die eifrig begann, auf dem Rasen Purzelbäume zu schlagen.
„Siehst du nicht, wie sie lacht?“ Selma lachte laut und glücklich. „Und dies alles willst Du dem Kind wegnehmen, nur um in die stickige, laute Stadt zu ziehen? Wie kannst du nur!“

Kopfschüttelnd goss Anna den Teig in die Pfanne. „Deck lieber den Tisch, das Essen ist gleich fertig.“ sagte sie und Laxo deckte pflichtbewusst den Tisch. Selma machte eine Purzelbaum-Pause. Heftig atmend kam sie an den Abendbrottisch, der sich mittlerweile in eine wunderschöne Festtagstafel verwandelt hatte.

Anna hatte die Pfannkuchen fertig gebacken und auf verschiedenen Blättern verteilt. Knallrote Vogelbeeren verzierten den selbstgebackenen, duftenden Blätter-Moos-Kuchen. Als Geburtstagskerzen brannten fünf Stöckchen aus abgeschälter Birke. Nach dem Schlammkaffee tranken die Eltern Rotwein aus zerdrückten Beeren.

„Dein Kuchen schmeckt wunderbar meine Liebe.“ sagte Laxo und küsste Mutter Annas Hände. Anna freute sich sehr über das Kompliment und auch Puppentochter Selma war froh über die gute Stimmung bei Tisch.

„Nun sollst du aber auch endlich deine Geschenke bekommen –heute ist ja dein Geburtstag!“ beendete Mutter Anna die friedliche Stille. Selma klatschte aufgeregt in die Hände: Geschenke, was gab es besseres und schöneres am Geburtstag als viele, viele Geschenke? Anna stieß Vater Laxo unter dem Tisch an. „Laxo, dein Geschenk. Oder hast du etwa vergessen, deiner Tochter etwas zum Geburtstag zu mitzubringen?“

„Natürlich nicht!“ rief Bärenvater Laxo und sprang vom Tisch auf –sein Gesicht war ganz rot geworden. Hastig lief er zu seinem Jackett hin. „Wo habe ich es bloß gelassen? Es muss doch irgendwo sein!“ Murmeln suchte er in allen Taschen seines Bürojacketts.

Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete Mutter-Anna ihren Ehemann. „Du hast es bestimmt im Büro liegen lassen, nicht wahr mein Liebling?“ Sagte sie schließlich zwischen zusammengepressten Lippen. Laxo nickte hilflos.

„Komm zurück an den Tisch. Zum Glück habe ich mein Geschenk hier.“ Laxo kehrte mit hängenden Schultern zum Tisch zurück. Waren Bären vielleicht doch genauso vergesslich wie Puppen?

Anna hatte sich rasch eines ihrer langen Haare ausgerissen. Sie hielt es vorsichtig zwischen ihren beiden Händen und hängte behutsam eine Spucke-Perle nach der anderen an. Für die größte, die in der Mitte, musste sie sogar mehrmals ansetzen. Einmal war die Perle zu schwer und glitt vom Haarfaden in das Gras hinunter. Beim zweiten Mal war die Perle zu klein. Schließlich war sie zufrieden und drehte sich zum Geburtstagskind um: Das Collier funkelte im Sonnenschein mit tausend Farben.

„Wunderschön, nicht wahr, Selma?“ Puppe Selma konnte nur stumm nicken. Eine so tolle Halskette hatte sie noch nie besessen.

„Es sind die kostbarsten Perlen des ganzen Orients“, sagte Mutter Anna, ohne ihren Blick vom Collier zu lösen. „Wir haben lange darauf gespart.“ -fügte Bärenvater Laxo hilflos hinzu, und warf einen schnellen Blick auf seine Frau.

Mutter Anna nickte. „Ja, sehr lange. Wir wollen ja, dass du glücklich bist…“

Vorsichtig beugte sich Anna vor, um ihrer Puppentochter das funkelnde Collier umzulegen, dessen Farben durch das Sonnenlicht gebrochen, Regenbogenstreifen auf das Geburtstagskleid warfen. Sie strahlte dabei vor Glück über das ganze Gesicht. Doch in dem Moment als das Collier Selmas Brust berührte, zersprangen die kostbaren Perlen in tausend Stücke, das Regenbogenlicht erlosch und von dem schönen Geburtstagsgeschenk blieb nur ein langes, nasses Haar übrig.

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