Hält uns das Internet davon ab, glücklich zu sein? Wie ein Sack Flöhe hüpfen unsere Gedanken Tag für Tag durch den Kopf. Ununterbrochen, von morgens bis abends, selbst in der Nacht ist keine Ruhe. Dann träumen wir. Zusammenhangslos. Rasant. Fantastisch. Furchterregend. Dabei wissen wir weder, was wir als nächstes denken, noch wohin uns unsere Gedanken lenken.
Völlig unzusammenhängend taucht ein Gedanke nach dem anderen auf. Oft fällt es uns sehr schwer, konzentriert bei einer Sache zu bleiben. Alles scheint uns abzulenken, allem möchte man folgen.
Sind wir im Internet unterwegs, können wir diese Gedankensprünge des Geistes besonders gut beobachten. Wie ein Affe, der sich von Ast zu Ast schwingt, klicken wir uns von Link zu Link und wissen am Ende meist gar nicht mehr, was wir eigentlich gesucht haben und wie wir darauf gekommen sind. So geht es mir zumindest häufig. Das Jugendwort des Jahres 2015 lautet „Smombie“ und es beschreibt ziemlich treffend das, was ich an mir beobachte.
Immer häufiger ertappe ich mich dabei, wie ich einem Smombie gleich, erstarrt auf der Straße, im Supermarkt, auf dem Spielplatz oder im Park stehenbleibe und in meinem Handy versinke.
Dabei vergesse ich die Welt um mich herum vollkommen. Ich verschwinde im Internet und tauche manchmal erst nach einer ganzen Weile wieder auf. Etwa, wenn mich jemand am Rockzipfel zupft oder die Bahn aufs Abstellgleis gefahren ist. Wie kommt es, dass uns (UNS ALLE!) das WWW so derartig gepackt hat?
Vielleicht fasziniert uns das Internet deswegen so sehr, weil es unserer Geistesstruktur so sehr ähnelt?
Das Internet ist wie unser Geist gleichzeitig unfassbar groß und gewaltig, auf der anderen Seite unendlich kleinteilig. Wie ein überdimensionales Gehirn vereint das Internet als kollektives Gedächtnis jegliche darstellbare menschliche Wahrnehmung. Und in diesem Schlaraffenland der Eindrücke fühlt sich unser Geist pudelwohl. Abermillionen von Möglichkeiten, unendliches diskursives Denken per Mausklick.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich verteufle das Internet keineswegs, denn es birgt –wie auch unser Geist – unfassbare Möglichkeiten:
Auf der einen Seite ist das Internet ein „Schatzhaus des Wissens“, unvorstellbar kostbar in seiner Schnelligkeit und seiner Möglichkeit, soziale und räumliche Distanzen zu überwinden. Große Themenfelder können innerhalb weniger Augenblicke geortet und abgefragt werden. Wir haben im WWW die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten, die viele tausend Kilometer entfernt sind und an die man sonst gar nicht oder nur mit großen Anstrengungen und hohen Kosten herantreten könnte.
Das Internet ist also genauso wie unser Geist: Voller wunderbarer Möglichkeiten und mit großem Potential versehen. Geschickt genutzt, kann es die Quelle großen Wissens werden und zu einer positiven geistigen Entwicklung führen.
Auf der anderen Seite kann man sich im Internet auch zu Tode klicken. Eigentlich wollte man nur kurz etwas nachsehen. Dann aber hüpft so lange von Link zu Link, bis der ganze Kopf voller belangloser Bilder, Anekdoten und Informationen ist. Diese Eindrücke sind zwar für eine Sekunde lustig und interessant, in ihrer Grenzenlosigkeit aber wie ein Fass ohne Boden, ein Sumpf in dem man versinkt, ein nebliger Wald, in dem man sich verirrt. Taucht man wieder auf, ist viel Zeit vergangen. Man hat einen schalen Geschmack im Mund, fühlt sich wie betäubt, ist seltsam erschöpft. Viel hat man gesehen und erlebt, steht aber dennoch mit leeren Händen da.
Was ist denn nun aber genau mein Problem mit dem Internet? Warum behaupte ich, dass uns das Internet davon abhält, glücklich zu sein? Ich glaube, dass wir durch den zu häufigen Konsum des Internets in Form von Facebook usw. unsere gewohnheitsmäßige Tendenz der Ablenkung durch Banalitäten verstärken. Und wir verstärken unsere – ohnehin stark ausgeprägte Gewohnheit – schneller und schneller zu denken.
Da sich äußere Einflüsse auf unsere inneren Zustände auszuwirken scheinen, sollten wir bezüglich der Einflussfaktoren, die auf uns einwirken, sehr aufmerksam sein. Man hat festgestellt, dass sich Menschen in ländlicher und eher reizarmer Umgebung viel gemächlicher bewegen, als Menschen, die in Großstädten leben. Wir Großstädter reden, laufen, reagieren, interagieren und denken eventuell sogar schneller.
Das ist aber kein Grund zum Jubeln, denn die Rasanz unserer Gedanken kann zu einer starken inneren Ruhelosigkeit führen.
Manche Gedankenketten (z.B. Sorgen oder Ängste) verselbstständigen sich und können einem das Leben zur Hölle machen. Obwohl man an der augenblicklichen Situation nichts verändern kann, jagt ein Gedanke den nächsten. Man denkt und denkt und gerät immer tiefer in eine Gedankenspirale, die man kaum durchbrechen kann.
Dieser, nennen wir ihn provokativ „mindfuck-Strudel“, kann uns in Abgründe ziehen, in die wir gar nicht gelangen wollen. Tief im Gedankenkarussel gefangen, sind wir gar nicht mehr dazu in der Lage, lösungsorientiert und zielgerichtet zu denken, sondern drehen uns nur noch orientierungslos im Kreis. Und nachts wälzen wir uns im Bett herum, weil wir nicht mehr abschalten können. Und dann? Psychopharmaka?
Nein! Entschleunigung. Entreizung. Meditation. Achtsamkeit.
Achtsamkeit wird mittlerweile geradezu inflationär in allen Bereichen rund um Wellness verwendet. Aber das ändert nichts an seiner Wirksamkeit 😉
Wenn man mit den Gedanken immer woanders ist, dann ist man nie im JETZT, der einzigen Zeit, die man wirklich erlebt. Die Vergangenheit ist abgeschlossen, die Zukunft noch nicht eingetroffen. Unser Körper ist im JETZT, aber unsere Gedanken jagen immer hin und her, unfähig, im JETZT zu verweilen. So wie ein Sack Flöhe, der in alle Richtungen auseinanderspringt.
Achtsamkeit hilft „den Geist heimzubringen“. Den Geist heimzubringen und die Gedanken zur Ruhe zu bringen, sind wichtige Voraussetzungen, um Luft zu holen, sich zu entspannen, um Frieden und Zufriedenheit und GLÜCK zu erleben oder auch nur, in Ruhe einzuschlafen.
Vielleicht erinnern Sie sich ja noch eine Situation, in der sie vollkommen zufrieden waren, in sich ruhten und einfach mit der ganzen Welt im Einklang waren. Ich erlebe solche Momente meist nicht, wenn ich die abgefahrensten und aufregendsten Dinge erlebe, sondern eher dann, wenn ich zur Ruhe komme und einfach mal bei mir selber bin. Die Umgebung genieße, an der ich sonst vorbeirase, mich an dem erfreue, was ich habe und einverstanden bin, mit dem, der ich bin. Wenn ich aufhöre zu greifen, zu verlangen, haben zu wollen und woanders zu sein, wird alles ganz ruhig und still und beginnt zu glänzen. Das kommt durch Achtsamkeit.
Immer dem nächsten Gedanken und dem nächsten Wunsch hinterherzuhetzen, macht uns zu atemlosen Menschen, die nie Zeit und einen Blick für das JETZT haben.
Für die Person, die gerade vor uns steht, das Kind, was einem etwas erzählt, das Buch, was man gerade liest. Wir werden gehetzt und ungeduldig, Gespräche werden zum Schlagabtausch. Bevor irgendwas entstanden ist (z.B. Freundschaft, Liebe, Partnerschaft, Beruf), ist es auch schon wieder vorbei, weil es uns schal vorkommt und unser Geist nach etwas Neuem verlangt.
Permanente geistige Zerstreuung macht uns abgestumpft, kraftlos und unfokussiert. Wir fühlen uns nicht im Einklang mit uns selbst, weil die Gedanken in einem fort davonjagen und uns nie da sein lassen, wo wir gerade sind. In jedem Moment sind wir mit den Gedanken woanders. Beim Einkaufen, in der Badewanne, bei der Kindererziehung, Arbeit oder selbst beim Sex. Irgendwann man kann überhaupt nicht mehr abschalten- selbst wenn man es sich wünscht.
Das Internet selbst hält uns nicht vom glücklich sein ab, das machen wir schon selbst. Aber der übermäßige Konsum des Internets verstärkt unsere negative Geistestendenz, uns immer und immer zerstreuen zu wollen.
Deswegen ist es wichtig, öfter mal innezuhalten und sich ernsthaft zu fragen „Was wäre, wenn ich heute Nacht sterben würde?“
Habe ich mein kostbares Menschenleben genutzt und das Bestmögliche getan, anderen und mir selbst nützlich zu sein? Frieden statt Hass zu säen? Helfen statt zu zerstören? Habe ich die abenteuerlichste Reise, die in mich selbst gewagt, oder bin ich an der Oberfläche hängengeblieben, und habe mich nur und ununterbrochen abgelenkt?
Habe ich so gelebt, dass ich es nicht bereue, wenn ich heute Nacht sterben müsste? Für diese Gedanken sollte man sich ab und zu einmal Zeit nehmen.
Oder wie Peter Lustig es damals schon sagte: Abschalten!